Stufe 6: Vorwärts-aufwärts und Versammlung
"Wenn man nun das Pferd in die Haltung bringt, in die es sich zur Selbstdarstellung wirft, wenn es sich am meisten in seiner Schönheit zeigen will, so wird man auf diese Weise sein Pferd als eines vorführen, das am Reiten Freude hat, prächtig und gewaltig aussieht und die Blicke auf sich zieht."
Xenophon
"Die Parade ist nicht das, was die Hand macht. Die Parade ist das, was das Pferd macht."
Bent Branderup
"Es ist daher ein ganz nutzloses und widernatürliches Bemühen, wenn Reiter Hals und Kopf ihrer Pferde gewaltsam in die Höhe richten, ehe sie imstande sind, die Hinterfüße mit ihren Schenkeln entsprechend unterzuholen. Sie werden dieses gehobene Gewicht selbst tragen, das heißt, ununterbrochen mit der Hand stützen müssen, und werden nicht die Hinterhand belasten, sondern nur den Rücken ihrer Pferde unnatürlich biegen. Das Belasten der Hinterhand, mit anderen Worten das Sammeln des Pferdes, muss daher von hinten her beginnen (...)."
Gustav Seinbrecht
"Jede Bewegung ist ein Gefühl. Das Pferd kann nicht stolz gehen, wenn es sich nicht stolz fühlt! Bewegung ist Botschaft. Wenn ein Pferd höhere Lektionen lernt unter dem Reiter, so soll es Haltungen zeigen und sich so bewegen, als wäre es ein selbstbewusster Hengst. Doch auch ein Mensch, der in einer Zwangsjacke steckt, die man ihm übergestülpt hat, wird niemals locker und fröhlich zu tanzen beginnen oder gar mit großen, imponierenden Gesten daherkommen. Genau das aber verlangt der Reiter vom Pferd. Er versucht, dem Pferd die stolze Haltung abzuzwingen, oft mit aller Gewalt. Was so erreicht wird, ist leere Geste, Marionettentanz, Verzweiflungszauber - der Kreatur abgerungen durch Menschenmacht. Zum Gefallen der Zuschauer, die ebenfalls menschlich fühlen. Hochgefühle aber beflügeln Mensch wie Pferd! Wenn ein Pferd in erhabener Stimmung ist und sich imposant fühlt, wird es die erhabene Form freudig annehmen und mit Leben und Ausdruck füllen."
Imke Spilker: "Das selbstbewusste Pferd"
Tölt in relativer Aufrichtung
Durch die Lastaufnahme der Hinterhand beginnt das Pferd, sich zu setzen und die Hanken zu beugen. Dabei bleibt der Rücken aufgewölbt wie in der Dehnungshaltung. Mit zunehmender Versammlungsfähigkeit (Hankenbeugung) kommt eine echte Aufrichtung der Vorhand mit Beizäumung von allein. Die Bewegungen des Pferdes werden kadenzierter und haben weniger Raumgriff. Die relative Aufrichtung der Vorhand über die Kraft aus der Hinterhand unterscheidet sich deutlich von der absoluten Aufrichtung durch die Manipulation des Reiters oder ein überfordertes Pferd: In der relativen Aufrichtung hebt die Rumpftragemuskulatur den Rumpf im Bereich des Widerrists an, das Genick bildet den höchsten Punkt und die Nase bleibt in der natürlichen Beizäumung VOR der Senkrechten. Durch diese Halshaltung verkürzt sich der Hebel, daher fällt es dem Pferd leichter, seinen Schwerpunkt zu verschieben und sein Körpergewicht mit der Hinterhand zu tragen.
Maximale relative Aufrichtung der Vorhand - Berber-Haflingermix Jungstute Ciana mit 2 Jahren
Mit Glæðir habe ich nach vier Jahren akademischer Ausbildung begonnen, mehr in Richtung Versammlung zu arbeiten. Da das Geraderichten bei ihm durch seine Verletzung schwierig ist, gehe ich hier aber sehr vorsichtig vor und arbeite viel im Stehen und im Schritt. Die Veränderung der Form ist aber auch beim Tölten zu bemerken:
Passverschobener Tölt 2007 in absoluter Aufrichtung - der Rumpf sinkt ab und bewirkt die Vorhandlastigkeit
Obwohl ich auch 2007 mit wenig Zügeleinwirkung geritten bin, spannt sich Glæðirs Unterhalsmuskulatur auf dem Foto an, was man auch am Verlauf des Mähnenkamms erkennt. Glæðir macht sich im Rücken fest und der Tölt ist passverschoben. Verstärkt wird das durch einen (unwissentlich) zu langen Sattel und meinen Sitz, der zu viel Belastung auf den Pferderücken bringt. Glæðirs rechtes Vorderbein schiebt nach hinten. Er läuft auf der Vorhand "bergab", das Brustbein sackt nach unten. Ein stärkeres Annehmen der Zügel würde diese Negativ-Tendenzen verstärken. Taktprobleme im Tölt (z. B. die Galopprolle oder Passverschiebungen) lassen sich durch korrekte Gymnastizierung und Behebung der natürlichen Schiefe vermeiden. Sie sind immer ein Zeichen für eine Überforderung der körperlichen Fähigkeiten des Pferdes. In diesem Fall sollte man das Pferd nicht weiter im Tölt arbeiten, sondern die Ausbildungsstufen der akademischen Reitkunst im Schritt überprüfen und festigen.
Heute ist der Tölt immer taktklar. Glæðir läuft locker über den Rücken und in Balance. Die Vorderbeine schieben in der Stützbeinphase nicht mehr zurück und die Hinterbeine finden ihren Weg Richtung Schwerpunkt. Glæðirs Unterhalsmuskulatur entspannt sich zunehmend. Im Film kann man gut erkennen, dass Glæðir locker über den Rücken töltet und eine schöne Selbsthaltung bekommen hat.
Taktklarer Tölt 2015
Die Hankenbeugung als Voraussetzung für korrekte Versammlungsarbeit stellt vor allem Fünfgänger vor große Probleme. Vor- und Hinterhand sind bei passveranlagten Pferden oft rückständig. Der Rückschub ist dadurch viel größer als der Vorgriff und damit leidet die Tragfähigkeit. Es lohnt sich, diesen Pferd sehr, sehr viel Zeit zu geben und Verspannungen als Signal für Überforderung ernst zu nehmen. Wird die Unterhalsmuskulatur in der Versammlung angespannt, ist keine Traghaltung mit aufgewölbtem Rücken vorhanden! Bent Branderups "mittlere Formgebung" als Arbeitshaltung guter Gebrauchsreiterei kann bei vielen Islandpferden schon das abschließende Ziel der akademischen Ausbildung sein.
Die höchste Versammlung erreicht ein Pferd in den Schulgangarten, dem Schulhalt und schließlich der Levade. Hier wird bis zu 100% der Körpermasse auf die Hinterhand verlagert. Ein solches Pferd ist perfekt ausbalanciert und besitzt echte Leichtigkeit. Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg und je nach Fähigkeiten von Ausbilder und Pferd wird dieses Ziel niemals erreicht. Aber darum geht es auch nicht - das Ziel sollte eine Verbesserung der Gangarten sein.
Beim Training der Hankenbeugung hat man anfangs häufig das Problem, dass die Pferde die Gelenke der Hinterhand (Hanken) nicht beugen und nur in der die Lendenwirbelsäule (Lumbosakralgelenk) abkippen. Der Winkel zwischen Hüfte und Oberschenkel wird größer, nicht kleiner wie bei korrekter Hankenbeugung. Durch das Hochziehen der Lende kann dieser Bereich instabil werden und gesundheitliche Probleme verursachen. Ist das Pferd noch nicht gerade gerichtet, wird außerdem die Balance ist schwierig, wenn die Pferde die Hinterbeine nicht gleichmäßig belasten.
2015: Glæðir lernt, Gewicht auf die Hinterhand zu verlagern. Er gibt in den Hanken nicht nach und der Rumpf sinkt ab.
2016: Glæðir steht nun geschlossen und kann etwas in den Hanken nachgeben. Die Unterhals- und Rückenmuskulatur ist noch zu stark angespannt, da die Kraft der Rumpftragemuskulatur noch fehlt.
2020: Glæðir beginnt, sich in den Hanken zu setzen und wird leicht in der Vorhand. (Foto: Valeska van den Berg)
Bei Glæðir haben wilde Spiele und auch Steigen durchaus geholfen, seine Hinterhand zu entdecken und das "stolze Gefühl" von Versammlung zu empfinden. Für die Versammlung unter dem Reiter ist das Steigen aber nicht hilfreich. Das schnelle Anheben der Vorhand erfolgt u. a. durch einen angespannten langen Rückenmuskel. Dies lässt den Rücken fest werden. Daher sollte man abwägen, ob der "psychologische" Nutzen überwiegt.
Glæðir beim spielerischen Steigen mit Mara
Mit fortgeschrittener Kraft in der Hinterhand lernt das Pferd, sich nicht nur schnell hochzuziehen, sondern das Körpergewicht mit gebeugten Hanken zu halten und den Rumpf angehoben zu tragen. In dem folgenden Kurzfilm kann man sehen, wie Glæðir mit der Hankenbeugung und dem getragenen Rumpf experimentiert. Interessant ist vor allem die Position der Hinterbeine - mal steht er zu breit, um die Balance besser halten zu können, mal wird die Last ungleichmäßig verteilt, was es schwieriger macht.
Hat das Pferd verstanden, dass es seinen Schwerpunkt nach hinten verlagern kann, empfiehlt es sich, die Versammlung vorwiegend in der Bewegung zu erarbeiten. Dadurch erhöht sich die Geschmeidigkeit der Hinterhandgelenke wirkungsvoller als im Stehen und das Risiko, dass der Rücken nicht korrekt gehoben wird, ist geringer.
Glæðir im versammelten Schritt: Mehr Vorgriff als Rückschub der Hinterbeine
Das innere Hinterbein fußt fast unter den Schwerpunkt, das äußere schiebt kaum zurück
Natürlich darf – bei aller Arbeit an der Versammlung – auch das Training der getragener Dehnungshaltung nicht vergessen werden. Die Formung der Oberlinie ist essentiell, um den Rücken in der Versammlungsarbeit nicht zu verlieren und das Pferd zum Schenkelgänger zu machen. Fließende Übergänge mit einer Veränderung des Rahmens erweisen sich oft als effektiver als das Üben einzelner Lektionen. Auch mentale Schwierigkeiten können auftreten, wenn die Pferde Versammlung mit Stress assoziieren und sich dadurch verspannen. Die Entspannung durch Lösen sollte jederzeit wieder erreichbar sein.
Tölt im versammelten Tempo unterscheidet sich nicht nur durch den Takt vom versammelten Trab. Auch der Rückenschwung ist anders. Im Trab ist die Rotation des Brustkorbes besonders ausgeprägt und diese geht sogar in einer korrekt gerittenen Piaffe nicht verloren, sie wird nur kleiner. Durch die stärker laterale Bewegung im Tölt ist die Gefahr extrem groß, dass das Pferd bei zunehmender Versammlung den Rücken verspannt und der Reiter das nicht merkt. Das passiert vor allem, wenn der Reiter versucht, die Vorhand über den Zügel zu heben, obwohl die Hinterhand noch nicht so viel Last aufnehmen kann und das Pferd noch nicht gerade gerichtet ist.
Pferde, die korrekt über den Rücken gehen, nennt man „Rückengänger“ und diejenigen, die sich im Rücken festmachen „Schenkelgänger“. Besonders fatal bei Islandpferden ist, dass durch den festen Rücken spektakuläre Bewegungen der Vorhand entstehen, die auf Turnieren hohe Punktzahlen erreichen. Gleiches lässt sich auch bei konventionellen Dressurturnieren vor allem in der Trabverstärkung beobachten: Wenn man sich bei einem Pferd mit spektakulärem Trab nur auf die Hinterhand konzentriert, werden die Probleme deutlich: In den allermeisten Fällen ist der Vorgriff gering, der Rückschub aber umso größer. Hinteres Röhrbein und Unterarm sind nicht mehr parallel.
Ausbildung eines Fünfgängers im Trab: Für einen diagonalen Zweitakt trotz gelaufener Bewegung braucht gerade ein Fünfgänger eine tragfähige Hinterhand
Im Tölt ist es leider nicht ganz so einfach, einen Schenkelgänger zu erkennen, da der Vorgriff der Hinterbeine immer noch erhalten bleiben kann (durch eine sehr bewegliche Lendenwirbelsäule). Hinteres Röhrbein und Unterarm sind beim Rückengänger im langsamen Tempo noch parallel. Das Vorderbein fußt durch den Viertakt im Tölt aber früher ab, daher darf es etwas höher genommen werden. Eine angespannte Unterhalsmuskulatur, "laute", paukende Gänge und das Heben des Vorderbeins über die Waagerechte sind sichere Anzeichen, dass das Pferd nicht über den Rücken läuft. Das stehende Voderbein wird bei Schenkelgängern vor allem im schnellen Tölt weit unter den Rumpf zurück gestellt und trägt die Last von Pferd und Reiter in der Einbeinstütze komplett (!). Fünfgänger entziehen sie dieser Überlastung, indem sie sich in den Pass verschieben und den Rücken über eine Verspannung stabilisieren. Gewichte an der Vorhand sollen das verhindern. Sie kaschieren das Problem aber nur und lösen es nicht. Die Vorderbeine bleiben noch länger stehen, das Standbein steht nicht mehr senkrecht, das Pferd kommt trotz hoher Kopfhaltung auf die Vorhand!
Aufrichtung in Relation zur Hinterhand mit nahezu senkrechtem Standbein
Ein Pferd als Schenkelgänger zu reiten geht auf Kosten der Gesundheit. Glücklicherweise erkennen immer mehr Reiter diese Zusammenhänge. Leider ziehen sie sich meistens aber auch aus dem Turniergeschehen zurück, da ein Rückengänger bisher immer schlechter abschneidet als ein Schenkelgänger mit "spektakulärer" Vorhandbewegung. Turnierreiter sind Vorbilder für Freizeitreiter, gerade für die Jugend. Daher kann man nur hoffen, dass die Erkenntnisse aus der Biomechanik irgendwann auch in der Turnierreiterei aufgegriffen werden und in die Beurteilung einfließen.
Fragen zur Versammlung von Eva:
"Ich bin ganz begeistert von deiner Seite und bei dem, was du über den Ausbildungsverlauf von dir und deinem Pferd schreibst, hatte ich unglaublich viele Aha-Erlebnisse. Ich habe vor ca. 2 Jahren einen Isländer aus einem Reitschulbetrieb gekauft, welchen ich aber schon länger als Reitbeteiligung geritten habe. Kolfari ist inzwischen 11 Jahre und hat sehr viele Baustellen, psychisch, körperlich, Bewegungsablauf... hängt ja auch alles irgendwie zusammen. (...) Seit April diesen Jahres habe ich gegen alle Widerstände angefangen mit ihm in Richtung Branderup zu arbeiten. Ich muss dies autodidaktisch tun, da keinerlei Fremdunterricht auf dem Hof geduldet wird. Der Online-Kurs von Branderup ist allerdings so hilfreich, dass ich das momentan ganz gut hinkriege. Ein bisschen Vorteile hab ich auch, da ich insgesamt zehn Jahre lang bevor es mich zufällig zu den Isländern verschlagen hat, intensiven Unterricht bei einer Reitlehrerin hatte, die eine Mischung aus Legerete, Branderup und Hinrichs unterrichtet hat. Heißt, ich fand die durchgedrückten Rücken im Tölt und die Starre im Hals durchaus etwas befremdlich, hatte das aber immer abgespeichert unter "der Isländer ist halt so". Dein Video, wo du töltest, war also eine wahre Offenbarung für mich!!! Ein Grund mehr, mich von dem "englisch geprägten" Weg abzuwenden, da ich ja gar nicht, wie ursprünglich gedacht, dann für immer auf das Tölten verzichten muss. (Momentan tölte ich allerdings überhaupt nicht, ich bin schon genug mit dem Schritt beschäftigt). Aber ich habe mich in dieser "englisch-isländisch-Reiter-Welt" sowieso nie richtig zu Hause gefühlt und trotz 4 Jahren Unterricht bin ich da immer irgendwie Anfänger geblieben.
Ich habe bis auf meine alte "Legerete"-Reitlehrerin niemanden mit dem ich mich austauschen kann, also ist das vielleicht jetzt doch etwas zu ausführlich geworden ;-). Eigentlich hab ich eine ganz banale Frage! Ich muss gerade leider feststellen, dass Kolfari, seitdem ich in der Bodenarbeit etwas in Richtung Versammlung gehe (wobei ich das noch gar nicht so sagen würde, eher ich hole ihn gerade millimeterweise von der Vorhand weg und versuche ihn ins Schulterherein zu "bitten") Probleme mit seinem ISG bekomme. Er hat sowieso eine sehr schwache Hinterhand und ganz wenig Bereitschaft diese überhaupt vermehrt einzusetzen. Sicher auch wegen seinen hängenden Kniescheiben, er sackt manchmal weg bzw. bleibt im Bewegungsverlauf stecken. Du schreibst von "isländischen Holzbeinen" und das passt nun sehr gut bei ihm. Er führt die Hinterhand im Schritt in kleinen Halbkreisen über außen nach vorne. Wenn ich das ISG physiotherapeutisch lösen lasse, wird es sofort besser und dann langsam wieder schlechter.
Meine Frage ist, wie bist du mit dem "Holzbein-Phänomen" umgegangen bzw. hast du Erfahrung mit dieser Ausweichbewegung? Die konventionelle Meinung, die mir gerade entgegen geschleudert wird, ist, dass ich das Pferd kaputt reite mit dem Branderupansatz, dass ich mehr dynamisch vorwärts reiten soll und bloß nicht so stark stellen ;-). Ich habe aber so viele andere klitzekleinen Erfolge mit dem Ansatz, dass ich unbedingt daran festhalten will, fühl mich aber gerade ein bisschen in der Sackgasse. Würde mich wirklich sehr freuen, wenn du zu meinen Überlegungen eine Idee beisteuern könntest, wie ich weiter machen soll oder worauf Du an meiner Stelle bei einer wirklich schwachen Hinterhand achten würdest. Alle befragten Tierärzte sind übrigens der Meinung, dass die Patellaluxation nicht schlimm ist, und sagen so etwas wie "einfach drüber reiten" oder Muskeln aufbauen... als ob das so einfach wäre bei einem Pferd, das die Hinterhand nicht benutzen will und noch dazu unglaublich beweglich ist."
Antwort von Anja:
"Die Probleme, die du beschreibst, kenne ich gut - sowohl das eigenständige Trainieren als auch das „Holzbeinproblem“ kombiniert mit der Hypermobilität. Auch aus dem Unterricht mit anderen Isländern habe ich mittlerweile folgende Tipps: Schau auf jeden Fall, dass dein Isländer den Unterhals loslässt, bevor du mit Stellung, Biegung, Seitengängen beginnst. Sonst kann die Muskulatur der Oberlinie nicht korrekt arbeiten. Du kannst zusätzlich zum Lösen am Kappzaum versuchen, den Bereich vor dem Schulterblatt zu massieren (auch mit den Fingern hinter das Schulterblatt gehen und abstreichen). Das öffnet die Halsbasis. Der Vorteil ist, dass du damit auch beim Reiten „Nase vor und tief“ abrufen kannst. Wenn der Unterhals fest ist, wird auch eine echte Biegung (in der Brustwirbelsäule) vermieden. Die Pferde klappen dann in der Halswirbelsäule nach innen, die Brustwirbelsäule bleibt aber gerade. Die relativ unbewegliche Brustwirbelsäule bestimmt, wie viel Biegung möglich ist. Nicht mehr machen, sonst verstärkt sich die Schiefe eher! Ich arbeite im Moment vorwiegend mit 2 Zügeln an der Hand, dann kann ich das „Reinklappen“ des Halses verhindern (über den äußeren Zügel). Achte auch darauf, dass die Vorderbeine gerade aus der Schulter bzw. die Hinterbeine gerade aus der Hüfte nach vorne treten. Die seitliche Versetzung der Schritte im Kruppeherein kommt in erster Linie durch die Biegung der Wirbelsäule zustande. Im Schulterherein kreuzen die Vorder- und Hinterbeine leicht, aber der Vorgriff sollte immer Vorrang haben. Die Hufe sollen nicht schräg aufgesetzt werden (Verschleiß!) und die Zehe immer nach vorne zeigen, dorthin, wo die Nase hinzeigt.
Die Instabilität der Lendenwirbelsäule kann auch von einer zu frühen Versammlung kommen. Statt die Winkel von Hüfte, Knie- und Sprunggelenk kleiner zu machen (Hankenbeugung), ziehen viele Isländer die Lende hoch (der Winkel wird größer) und machen einen „Katzenbuckel" im Bereich LWS. Das macht die Lende, die häufig sowieso überbeweglich ist, instabil. Vermutlich geschieht dies durch ein übermäßiges Öffnen des Lumbosakralgelenks. Bevor du mit Versammlung (auch Kruppeherein) beginnst, würde ich auf jeden Fall das Formen der Oberlinie (getragene Dehnungshaltung) mit dazu nehmen, um die Rumpftragemuskulatur (v. a. Musculus serratus ventralis) zu trainieren. Sonst sacken grade bewegliche Pferde im Rücken weg. Das war leider bei Glaedir zeitweise auch so :-( Durch die getragene Dehnungshaltung geht es jetzt wieder bergauf. Bent Branderup geht relativ schnell Richtung Versammlung, das ist für Isländer und auch für deren Ausbilder oft nicht möglich. Bis Glaedir so weit war, dass er sich ein bisschen versammeln konnte, dauerte es 5 Jahre und die Hankenbeugung fällt ihm immer noch sehr schwer. Da wird wohl auch eine Grenze erreicht sein.
Tölten würde ich erst, wenn das Pferd in der Lage ist, sich in dieser Gangart im Hals zu lösen. Und zusätzlich zur Gymnastizierung auf jeden Fall den Trab nicht vernachlässigen, der bringt fürs Training der Rumpftragemuskulatur mehr. Alles Gute für dich und Kolfari!"
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(Text und Zeichnung: Anja, Foto 1, 4, Film: Peter Oster, Foto 2, 3: Mara Hebel, Foto 5: Nico Hebel, Foto 6: Susanne Waltersbacher, Foto 7: Sara Humpf)