Reitkunst für

Islandpferde

Pädagogik

"Sich seinem Pferd nie im Zorn zu nähern, dies eine ist die beste Regel und Gewohnheit im Umgang mit einem Pferd. Denn unberechenbar ist der Zorn, so dass er häufig zu etwas führt, was man später bereuen muss."

Xenophon, ca. 365 v. Chr.

"Mache lieber wenig richtig, als viel falsch. Übe kurze, leichte Lektionen, damit du das Pferd häufig loben kannst."

Bent Branderup

Ein Zitat, das sich genauso auf Pferde anwenden lässt: „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ 

Johann Wolfgang von Goethe

 

Es ist unsere Aufgabe, dem Pferd etwas beizubringen, dass heißt, wir sind automatisch in einer Ausbilderrolle. Viele von uns kennen aus ihrer eigenen Schulzeit Lehrer, vor denen man Angst hatte. Der Lernerfolg war in diesen Unterrichtsstunden eher fragwürdig. So geht es den Pferden auch: Wenn sie sich vor ihrem Ausbilder fürchten, werden bestenfalls Lektionen abgespult. Eine harmonische Kommunikation ist unter diesen Bedingungen nicht möglich.

Bevor man mit der Ausbildung beginnt, sollte man daher eine vertrauensvolle Beziehung zu dem Pferd aufgebaut haben. Das heißt natürlich nicht, dass der Respekt verloren gehen sollte. Diese Gratwanderung kann manchmal sehr schwierig sein – gerade bei sehr ängstlichen oder dominanten Pferden.

Beim Aufbau von Trainingseinheiten empfiehlt es, mit etwas Einfachem zu beginnen und sich von dort aus an die Grenze heranzutasten, die das Pferd gerade noch leisten kann. Zeigen sich Anzeichen von Überforderung (Schwungverlust, Taktprobleme, Hochreißen des Kopfes, Wegrennen etc.) unterbreche ich die Übung sofort und gehe wieder einen Schritt zurück. Zum Abschluss baue ich immer etwas ein, was das Pferd gut kann, damit man einen positiven Abschluss hat. Insgesamt sollte man darauf achten, die Übungen nicht zu lang zu machen. Ein oder zwei richtige Schritte reichen am Anfang vollkommen aus. Die gesamte Übungszeit, in der sich Pferde konzentrieren können, liegt etwa bei 20 Minuten. Jungpferde werden noch schneller unaufmerksam (nach ca. 10 Minuten). Ich übe daher lieber kürzer, dann aber voll konzentriert.

schulterherein

Lieber kurz und konzentriert üben

Hilfreich ist es auch, wenn ihr herausfindet, was euer Pferd motiviert und was nicht. Mein Isländer ist zum Beispiel sehr neugierig und verspielt. Bei ihm ist es entscheidend, Übungen häufig zu variieren und interessant zu gestalten. Andere Pferde brauchen sehr lange, bis sie sich bei einer Lektion sicher fühlen. Für sie sind häufige Wiederholungen und viele Pausen besser geeignet. 

Negative Verstärkung

Das Aussetzen einer Hilfe, wenn das Pferd die gewünschte Reaktion zeigt, bildet die Basis jeglicher Pferdeausbildung. Wichtig ist hierbei, den Reiz langsam zu steigern. Reagiert das Pferd auch nur ansatzweise richtig, nimmt man den Reiz sofort weg. In der Lernpsychologie der operanten Konditionierung wird dieses Konzept "negative Verstärkung" genannt, da ein unangenehmer Reiz (z. B. Schenkeldruck, Touchieren mit der Gerte, Zug am Zügel) ausbleibt (daher "negativ").

Positive Verstärkung und negative Bestrafung

Das Loben, also die "positive Verstärkung", ist von ganz entscheidender Wichtigkeit, um die Motivation des Pferdes zu fördern und zu erhalten. Es kann auf verschiedene Arten erfolgen (z. B. Pausen, Streicheln, Leckerli). Mit dem Leckerli ist das so eine Sache. Einerseits bietet das gezielte Futterlob die effektivste Möglichkeit, dem Pferd sofort eine positive Rückmeldung zu geben. Andererseits besteht auch die Gefahr, dass das Pferd den Ausbilder bedrängt, an der Tasche herumknabbert oder sogar anfängt zu beißen. Wenn man sich daher entschließt, das Futterlob einzusetzen, sollte man hierbei sehr konsequent vorgehen. Leckerlis gibt es bei mir nur für Leistung, das heißt wirklich niemals einfach so.

Ein weiteres Problem, gerade beim Reiten, ist, dass den Pferden oft nicht klar ist, wofür sie gelobt werden. Wenn ein Isländer zum Beispiel angetöltet wird und die ersten ein bis zwei Schritte sind taktklar, möchte ich ihm als Ausbilder verständlich machen, dass diese beiden Schritte genau das sind, was ich von ihm möchte. Wenn ich nun erst durchpariere, mein Leckerli aus der Tasche krame und es dem Pferd dann gebe, ist dieser Zusammenhang unklar. Das Pferd könnte auch denken: „Aha, wenn ich stehen bleibe, ist das die richtige Reaktion.“

Meine Lösung ist das „Klickern“. Beim „Klick“ gibt es IMMER ein Leckerli und sonst NIE. Ich möchte aber nicht ständig einen Metallklicker mit mir herumschleppen, daher „klicke“ ich mit der Zunge am Gaumen. Es geht natürlich auch ein Lobwort. Das darf man dann aber nicht unbeabsichtigt sagen und manche Wörter hören sich sehr ähnlich an. Ergänzend verwende ich natürlich auch Lobworte, wie „fein“ oder „super“. Dann schaut das Pferd schon erwartungsvoll, wann es endlich „klick“ macht. Wenn ich meinem Isländer Glæðir etwas Neues beibringe, lobe und klicke ich schon die kleinste Reaktion in die richtige Richtung. Sitzt eine Übung, wird die Belohnung wieder weniger und findet nur noch bei besonders gelungenen Lektionen statt.

Gerade verdorbene Pferde, die auf Druck mit Gegendruck oder Panik reagieren, lassen sich auf diese Weise sehr gut erreichen. Sie sind es meist überhaupt nicht gewöhnt, dass sie gelobt werden und tauen dadurch wieder auf. Die Arbeit mit Targets, denen das Pferd folgt, kann eine tolle Ergänzung zum herkömmlichen Training am Boden sein. Die Pferde reagieren oft extrem motiviert, wenn sie nicht weichen müssen, sondern aus freien Stücken einem Ziel folgen dürfen. 

longieren target

Longieren mal anders: Glæðir folgt dem Federzweig

 

bounty keks

Wo bleibt das Leckerli?

Ein Nachteil dieser Methode ist, dass die Pferde teilweise so übermotiviert werden, dass sie neu erlernte Übungen ständig abspulen wollen. Als ich Glæðir Schulterherein beigebracht habe, lief er irgendwann immer „krumm“ durch die Gegend und dachte, das ist jetzt ganz toll. Wenn man diese Überreaktionen ignoriert, legt sich das aber wieder. Das nennt man in der Lernpsychologie "negative Bestrafung", weil eine angenehme Konsequenz (in diesem Fall das Klicken plus Leckerli) ausbleibt. Ein weiterer Nachteil ist, dass das Pferd bei jedem Klick stehen bleibt und die Lektion kurz unterbrochen wird. 

Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, welche Art von Lob verwendet wird. Wichtig ist allein, dass das Pferd sich wirklich gelobt fühlt und den Zusammenhang zur erbrachten Leistung herstellen kann.

Positive Bestrafung

Am anderen Ende steht die Bestrafung (in der Lernpsychologie "positive Bestrafung", d. h. es erfolgt eine unangenehme Konsequenz). Ihr kommt eine wesentlich geringere Bedeutung zu, als häufig angenommen. In der Pädagogik geht man davon aus, dass das unerwünschte Verhalten durch Strafe nur unterdrückt, aber nicht dauerhaft geändert wird. Häufig versuchen die Lernenenden (Tiere wie Menschen), durch immer geschicktere Tricks die Bestrafung zu umgehen. Ein erwünschtes Verhalten wird aber nicht erlernt.

Zuerst einmal sollte man aber davon ausgehen, dass das Pferd seine Mitarbeit nicht absichtlich verweigert. Wenn es nicht versteht, was der Ausbilder von ihm will oder wenn es aufgrund von körperlichen Einschränkungen (noch) nicht in der Lage ist eine Aufgabe auszuführen, muss man diese Ursachen dieser Probleme angehen (z. B. durch eine präzisere Hilfengebung oder mehr Zeit im Training).  Treten Respektlosigkeiten auf, stimmt etwas im grundsätzlichen Umgang mit dem Pferd nicht. Vielleicht lässt man sich beim Führen wegdrängeln? Oder das Pferd schubbert seinen Kopf an einem? Oder es sieht den Menschen als „Leckerli-Spender“, ohne sich dafür anzustrengen?

Die respektvolle Basis (auf beiden Seiten!) lässt sich am besten durch Konsquenz im Alltag (z. B. auch beim Putzen, Führen, Verladen) und durch positive Verstärkung erwünschter Verhaltensweisen herstellen. Auch das Pferd möchte "gehört" und respektiert werden - selbst wenn der Mensch das letzte Wort haben sollte. Strafen führt dagegen zu Widersetzlichkeiten, Motivationslosigkeit oder Angst – alles keine guten Grundlagen zum Lernen! Gewalt beginnt immer dort, wo die Kommunikation versagt hat.

Fragen & Antworten

Pferde ausbilden

Frage von Astrid: Leckerli als Belohnung

Ich war letzte Woche als Zuschauerin bei einem Kurs hier in der Nähe. Dort ist mir aufgefallen, dass die meisten mit Leckerchen arbeiten. Das ging schon so weit, dass ein Hafi die Schulparade dauernd alleine abspulen wollte. Wenn er es tat, grunzte er zum Abschluss und bekam dann einen Keks. So stelle ich mir das nicht vor. Zudem würde meine Stute dann so an meinen Taschen hängn, dass kein Arbeiten mehr möglich wäre.

Antwort von Anja:

Ich arbeite auch mit Leckerli, allerdings nur kombiniert mit einem „Lob-Signal“ (Klickern mit der Zunge). Einfach so gibt es NIE ein Leckerli, sondern nur als gezieltes Lob. Wenn neue Übungen sitzen, höre ich damit auch wieder auf und belohne nur noch besonders gelungene Leistungen. Glæðir fängt zeitweise auch an, neu Gelerntes selbstständig abzuspulen, aber wenn er merkt, dass er dafür kein Leckerli mehr kriegt, hört das ganz schnell wieder auf. Leckerli sind ein unglaublich starker Motivator, aber man muss ihn grade bei dominanten Pferden sehr dosiert einsetzen und auf jeden Fall niemals, wenn das Pferd an der Tasche herumknabbert, scharrt oder sonstwie nervt. Sonst verstärkt man dieses Verhalten natürlich auch. Eine andere Belohnung kann, vor allem bei eher faulen Pferden, eine Pause sein. Katharina hat gute Erfahrungen mit dem Intervall-Training gemacht. Hier wird nach regelmäßigen Abständen ein Tonsignal verwendet, das die Pause einleitet. Für Glæðir ist eine Pause aber eher eine Strafe. Es kommt sehr auf den Pferdetyp an und dein Isi scheint ja auch eher zur „Zappelsorte“ zu gehören.

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(Text: Anja)